> Intro > Salon > > Malerei |
Deleuze/Guattari: "Ja, alles Werden ist molekular;... es gibt ein Frau-Werden und ein Kind-Werden, die nicht der Frau oder dem Kind als klar unterschiedenen molaren Entitäten ähneln (obwohl die Frau oder das Kind möglicherweise, aber nur möglicherweise, bevorzugte Stellungen im Rahmen dieser Arten des Werdens einnehmen können). ... Lieben können heißt nicht Mann oder Frau bleiben, sondern aus seinem Geschlecht die Partikel, Schnelligkeiten und Langsamkeiten, die Strömungen, die n Geschlechter herauszulösen, die das junge Mädchen dieser Sexualität ausmachen. Das Alter selbst ist ein Kind-Werden, ebenso wie die Sexualität, ganz gleich welcher Geschlechtlichkeit, ein Frau-Werden, das heißt ein junges Mädchen-Werden ist. - Um damit auch gleich die dumme Frage zu beantworten, warum Proust aus Albert Albertine gemacht hat. Obwohl alle Arten des Werdens schon molekular sind, das Frau-Werden eingeschlossen, muß betont werden, daß alle Arten des Werdens mit dem Frau-Werden beginnen und sich durch das Frau-Werden vollziehen. Es ist der Schlüssel zu den anderen Arten des Werdens. Daß der Krieger sich als Frau verkleidet, daß er als Mädchen verkleidet flieht, sich als Mädchen versteckt, ist kein peinlicher, vorübergehender Zwischenfall in seinem Leben. Sich verstecken, sich verkleiden ist eine Funktion des Kriegers; und die Fluchtlinie zieht den Feind an, überquert etwas und schlägt das, was sie überquert, in die Flucht; der Krieger entsteht am äußersten Ende einer Fluchtlinie. ... Es ist sicher, daß die molekulare Politik von jungen Mädchen und Kindern getragen wird. Aber es ist auch sicher, daß junge Mädchen und Kinder ihre Kräfte weder aus dem molaren Status schöpfen, der sie unterwirft, noch aus dem Organismus und der Subjektivität, die sie erlangen; sie schöpfen all ihre Kräfte aus dem Molekular-Werden, das sie zwischen den Geschlechtern und Altersgruppen sich ereignen lassen, dem Kind-Werden des Erwachsenen und des Kindes, dem Frau-Werden des Mannes und der Frau. Das junge Mädchen und das Kind werden nicht, das Werden selbst ist Kind oder junges Mädchen. Das Kind wird nicht erwachsen, ... Das Werden ist ein Anti-Gedächtnis. Sicher gibt es auch ein molekulares Gedächtnis, aber als Integrationsfaktor eines majoritären oder molaren Systems. Die Erinnerung hat immer die Funktion einer Reterritorialisierung. Ein Deterritorialisierungsvektor dagegen ist keineswegs unbestimmt, sondern direkt an die molekularen Ebenen angeschlossen, und je stärker er deterritorialisiert ist, desto fester ist er angeschlossen: durch die Deterritorialisierung wird die Gesamtheit der molekularen Bestandteile "zusammengehalten". Unter diesem Gesichtspunkt kann man einen Kindheitsblock oder ein Kind?Werden von einer Kindheitserinnerung unterscheiden: "ein" molekulares Kind wird produziert..., "ein" Kind koexistiert mit uns in einer Nachbarschaftszone oder einem Block des Werdens, auf einer Deterritorialisierungslinie, die uns beide fortträgt ? im Gegensatz zu dem Kind, das wir gewesen sind, an das wir uns erinnern oder das wir uns vorstellen, das molare Kind, dessen Zukunft der Erwachsene ist. "Es wird Kindheit sein, aber es darf nicht meine Kindheit sein", schreibt Virginia Woolf. (Schon Orlando operiert nicht mehr mit Erinnerungen, sondern mit Blöcken, Altersblöcken, Epochenblöcken, Blöcken von Königreichen, von Geschlechtern, die lauter Arten des Werdens zwischen den Dingen oder lauter Deterritorialisierungslinien bilden.) Wann immer wir auf den vorhergehenden Seiten das Wort "Erinnerung" benutzt haben, war das also falsch; wir wollten "Werden" sagen, wir haben "Werden" gesagt." (Gilles Deleuze, Félix Guattari, Kapitalismus und Schizophrenie, Tausend Plateaus, Merve Verlag Berlin, 1992; p.:375 - 401) |
|
| Galerie Schloß Damtschach | m-o-r@t0.or.at | |